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In den Bergen der
Kopfjäger

Ergänzung zum Epilog


Man will Dich nicht in Assam...




Hier folgt, was sich an unserem ersten - missglückten - Besuch in Assam 1995 auf dem Flughafen von Gauhati ereignete:

Assam war zu dieser Zeit ebenfalls noch Sperrgebiet und Individualreisende hatten jahrzehntelang keine Reisegenehmigung mehr erhalten. Doch wir wollten ja auch nicht Assam, wir wollten "nur" ins Tal der Apa Tani – in den Osthimalaya, in das heutige Arunachal Pradesh. Hierzu wollten wir in der Vertretung Arunachal Pradeshs in Gauhati, der Hauptstadt Assams, vorstellig werden. Schließlich hatte ich im Westhimalaya die Erfahrung gemacht, dass vor Ort die Auslegung strikter Bestimmungen oftmals dehnbarer sind, als auf den Schreibtischen desinteressierter Bürokraten, über deren verschlafenen Köpfen sich die Akten himmelwärts stapeln.

Die Flüge waren gebucht und nach einer Odyssee über das grauenerregende Kalkutta landeten wir mit einer kleinen Maschine auf dem palmenumsäumten Flughafen an den sandigen Ufern des Brahmaputra. Erwartungsvoll und selbstsicher nahmen wir unsere Rucksäcke vom Laufband und strebten dem Ausgang zu, als uns ein kleiner indischer Mann mit Schnauzbart diskret ansprach, wir mögen ihm bitte in einen Kabine folgen, damit unsere Personalien festgestellt werden könnten. Eine Tür wurde geöffnet und ein Metallrahmen zur Seite geschoben, zwischen dem ein vergilbt-brauner, nach Mottenpulver riechender Faltenstoff gespannt war. Der Blick war frei auf einen Büroraum, von dessen Wänden die blaue Farbe bröckelte und an dessen Decke sich ein Ventilator langsam drehte. In einer Ecke war eine Frau damit beschäftigt, den schmutzig grauen Fußboden mit einem Palmwedel zu fegen. Ein massiger, in dunkelbraunem Plastik furnierter Schreibtisch fungierte als Refugium eines Beamten leicht fortgeschrittener Laufbahn Dieser stellte sich nach der obligatorischen, Macht suggerierenden Wartezeit auch tatsächlich ein. Ohne uns eines Blickes zu würdigen, fragte er nach unseren Pässen.

Sofort begann ich, auf den Mann einzureden, dass wir gar nicht nach Assam wollten, sondern nach Arunachal. Dies quittierte er lediglich mit einem leichten Heben der rechten Augenbraue– "Ihre Pässe, bitte!" Beim Durchblättern bemerkte er die verschiedenen seit 1990 ausgestellten indischen Visa und notierte sich die Daten der jüngsten relevanten Eintragung. Dann setzte er zur alles vernichtenden Frage an: "Wo ist Ihre Sondergenehmigung für Assam?" Sofort begann ich meine Beteuerungen zu wiederholen, dass wir ja gar nicht nach Assam wollten, dieses Mal in einfacherem Englisch. Eingebildet wie ich war, nahm ich an, der Mann hätte mich vielleicht nicht verstanden. Außerdem wusste ich, dass in Indien Positionen in Ämtern von Leuten eingenommen werden, die nur eine einzige Funktion übernehmen und für geistige Beweglichkeit nicht ausgebildet sind. Doch dieser Mann überraschte mich. Er sagte: "Sir, die Vertretung Arunachal Pradeshs liegt, wie Sie richtig sagen, in Gauhati. Gauhati ist in Assam. Also: Wo ist Ihre Sondergenehmigung für Assam?" Da wurde mir klar, dass ich einen kardinalen Fehler gemacht hatte. Ich hätte mich um eine Genehmigung für Assam bemühen sollen (was zu der damaligen Zeit jedoch wahrscheinlich genauso aussichtslos gewesen wäre)! Fixiert auf Arunachal Pradesh, wie ich war, hatte ich nicht damit gerechnet, dass bereits hier die Schwierigkeiten beginnen könnten. Die Röte der Unsicherheit, des Treffens des wunden Punktes, der Konfrontation mit dem Unvorbereiteten, der Aussichtslosigkeit eines verlorenen Kampfes stieg mir ins Gesicht, was mein Gegenüber sichtlich befriedigte.

Doch da schaltete sich Aglaja ein und begann in ihrer unübertrefflichen Art, wieder und wieder das Selbe zu sagen – keine neuen Argumente, nur stetige Wiederholung um zum Ziel zu kommen, wie das konstante Graben eines Maulwurfs oder das Hämmern eines Spechts auf dem Weg zu seiner Höhle. Der Beamte versuchte, höflich zu bleiben, doch verließ schließlich entnervt den Raum mit der schlichten Anweisung: "Warten!" Ich nickte Aglaja trotz rotem Kopf siegessicher zu, bekam aber leider nur eine etwas unschlüssige Mine zurück.

Nach 10 Minuten betrat ein anderer Herr mit hellerer Haut den Raum, gefolgt dahinter von seinem Vorgänger, der in leicht gebückter Haltung Demut bezeugte. Nun begann das Spiel von vorne. Ich zückte als Spezialwaffe mein erstes Buch, das ja schließlich auch all dies gestartet hatte und malträtierte den Herrn mit selbstgefälligem Gefasel über berühmte Autoren, die man zu den Behörden Arunachal Pradeshs vorzulassen habe. Der Beamte durchblätterte unschlüssig das Buch, wobei er nirgends inne hielt und lediglich seinen Daumenabdruck auf den Seiten verewigte und diesen unachtsam ein paar Eselsohren hinzufügte. Schließlich gab auch er nach mehreren Versuchen auf, seine Frage nach der Genehmigung für Assam durchzusetzen (es war mittlerweile eine Dreiviertelstunde in dem schwach erleuchteten Raum vergangen), und sagte, dass sich ein Vertreter Arunachals im Flughafengebäude befände. Wir wurden freundlicher und baten ihn, bei diesem vorsprechen zu dürfen, auch in der Hoffnung, dieses fast schon wie eine Arrestzelle anmutende Zimmer verlassen zu dürfen und somit quasi auch räumlich "ein Stück weiter gekommen zu sein". Doch wieder hieß es nur schroff: "Warten!" als sich der Beamte mit unseren Pässen und einem mittlerweile grauen "Auf Buddhas Pfaden" zur Tür aufmachte.

Der Schweiß lief mir übers puterrote Gesicht. Doch hatte ich zuvor noch angenommen, mehr Demütigung könne meine selbstherrliche Seele nicht ertragen, so kam nun die Krönung. Just als unser Gegenüber die Tür öffnete, vor der mittlerweile ein bewaffneter Soldat postiert worden war, ging ein Pulk von Leuten eilig an unserem "Gefängnis" vorbei. Der Beamte rief etwas und eine dunkelhäutige Gestalt löste sich aus der Gruppe. Sie steuerte auf unsere Schweißkabine zu, steckte den Kopf durch den Türspalt und sagte ruhig in einem freundlich-bestimmten Ton: "Sowohl Assam und Arunachal sind für Ausländer gesperrt. Bitte gehen Sie zurück in Ihr Land." Der Spuk dauerte nur exakt 3 Sekunden – dann waren all unsere Hoffnungen dahin. Auf einmal erschien uns der assamesische Grenzer (ein Beamter des Indischen Geheimdienstes, mit dem wir in den kommenden Jahren noch öfter Bekanntschaft machen sollten) wie ein freundlicher Herr, als er uns nun mitleidig ansah und nur noch beteuern konnte: "Ich hab’s Ihnen ja gesagt..." Aglaja begann von vorne, dieses Mal zusätzlich noch mit der Finanzkeule – "Wir haben schließlich viel Geld für diese Reise ausgegeben!" oder "Was glauben Sie, wie hart wir für unser Geld arbeiten müssen!". Schließlich versuchten wir es noch mit Moral und flehten: "Sie können uns doch nicht einfach zurückschicken!", aber innerlich wussten wir beide, dass der Zug abgefahren war. Die letzte Chance war es, auf Zeit zu spielen, um vielleicht in Gauhati übernachten zu können, wenn es keinen Flug mehr gäbe. Doch das Flugzeug, mit dem wir gekommen waren, stand noch immer unheilschwanger auf dem Rollfeld.

Und so kam es, dass wir auf unserem ersten Versuch, nach Nordost-Indien vorzudringen, nichts weiter sahen, als einen schäbigen Büroraum, und dass wir unseren Schweiß nicht auf dickblättrige Dschungelgewächse fallen lassen durften, sondern nur auf einen schmutzigen Fußboden. Noch nicht einmal unsere Nase konnten wir aus dem Flughafengebäude stecken, sondern verließen diesen Teil Indiens nach weniger als nur einer Stunde wieder – zurück in den Moloch Kalkutta, missmutig, "gedemütigt", doch um eine Erfahrung reicher und in der Selbstschau zurechtgerückt.





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